Ana Sayfa

Ýnternette Orhan Kemal


Kültür Bakanlýðý

Orhan Kemal
 

SCHOKOLADE

Sie waren vor dem riesigen Schaufenster des Süssigkeitengeschäfts. Im Schaufenster waren verschieden grosse Bonbons, Süssigkeiten in Schachteln und Schokolade. Sie schauten zu den Schokoladen. Rechts des dicken und runden Knaben war seine Schwester und links die Tochter des Joghurtverkäufers. Die Tochter des Joghurtverkäufers war etwa so alt wie die Schwester. Die Schwester hatte gerade vorhin den dicken und runden Bruder zum Coiffeure gebracht, mit grosser Mühe. Der Coiffeure hatte einen grossen Spiegel, einen Käfig mit blauem Gitter, im Käfig einen gelben Vogel.

Er war ein Freund des Vaters. Der hauchdünne, pechschwarze Schnurrbart oberhalb seiner Lippe lächelte ständig durch den Spiegel dem Mädchen mit den grossen Busen des gegenüberliegenden Hauses. Auch das Mädchen mit den grossen Busen lächelte, sie lächelten sich gegenseitig an. Ab und zu winkten sie sich gegenseitig. Der dicke und runde Knabe hatte es auch gesehen, als seine Haare rasiert wurden, er hatte auch den gelben Vogel gesehen. Fingergross, es zwitscherte ununterbrochen. 

Wenn bloss die Maschine des Coiffeurs sein Haar nicht ab und zu rupfen würde. Das tat ihm so weh. Er wollte aufstehen und fliehen und den Laden von draussen mit Steinen bombardieren. Desshalb mochte er es nicht, zum Coiffeur zu gehen. Sein Stampfen und seine Fusstritte gegen die Schwester waren desshalb. Wenn seine Schwester nach der Rasur nicht:" Komm, lass unser Geld zusammenmischen und uns Schokolade für einen fünfziger kaufen!" Gesagt hätte, hätte er schon gewusst, was er machen würde. 

Vor dem Schaufenster des Süssigkeitenhändlers erloschen auch der Coiffeure, auch seine Spiegel, auch der Käfig und der gelbe Vogel. Schokolade gab es jetzt, nur Schokolade. In der Sonne feurig umherschwebende rote, viollette, gelbe, blaue. Schokolade die in rote, viollette, gelbe, blaue fest eingebunden war. Auch die Schwester, der Knabe und die Tochter des Joghurtverkäufers waren mitten in den feurig roten, violletten, gelben und blauen. Oder die blauen, violletten schwebten feurig, einer nach dem anderen in ihnen. 

Die Schwester und der Knabe kannten den Geschmack der Schokolade. Ihre Tante hatte es ihnen einst mal mitgebracht, aus Sariyer. Ihre Tante hatte einen schwarzen Mantel, sie hatte ein riesiges Muttermal im Gesicht, ihre Augen waren geschminkt. Sie gab ihnen auch ab und zu Geld. Sie brachte auch Koz Helwa (Helwa Art mit Walnusskernen) oder auch runde Keten Helwa (in Fäden ausgezogene Helwa Art) aus Emirgan. Ihr Vater, Benzin riechend und mit langem Bart, der durch die Fährte langgewachsen war, hatte in einem der regnerischen Nächte auch mal Koz Helwa mitgebracht. Ab und zu brachte er es. Meistens war in seinem langen, verschmutzten Bart Fluch:" Hunde Bastarde, verflixte Männer, Scheisskerle!" 
Aber Schokolade war noch süsser und leckerer als die Keten Helwa und auch als die Koz Helwa. Kannte es denn auch die Tochter des Joghurtverkäufers? Gleich doch, ob sie es oder nicht. In der Tasche des kahlköpfigen Knaben waren zwanzig und in der Tasche seiner Schwester dreissig. Wenn sie die zusammenmischten... 

- Du Schwester!

Rote Haarbündel in den schmutzigen Haaren: 

- Was ist?

Auch die Tochter des Joghurtverkäufers schaute hin: 

- Nichts. Sagte er. 

Dieses Mädchen, diese schmutzige Tochter des Joghurtverkäufers. Wieso stand sie noch neben ihnen? Er hatte zwanzig kurusch und seine Schwester dreissig. Wenn sie sie zusammenzählten machte das fünfzig. Dann konnten sie Schokolade für einen fünziger kaufen. Aber die Tochter des Joghurtverkäufers! 

Auch die Schwester wusste, dass die Schokolade süsser und leckerer war als die Koz Helwa und die Keten Helwa. Sie würde es ja kaufen, teilen und weiter gehen, während sie es essen würden, doch dieses Mädchen, dieses schmutzige Mädchen, die schmutzige Tochter des Joghurtverkäufers. Sie hat weder Geld, noch entfernt sie sich von ihnen. Wenn sie ihr: " Geh weg! " sagen würden, würde sie darauf: "Wieso denn? " sagen. Wenn sie darauf hin: "Wir wollen Schokolade kaufen." Sagen würden, würde sie: "Na und, mir doch egal! Sagen. Wenn sie es kaufen würden, würde sie doof zu gucken. Wenn sie ihr auch ein bisschen geben würden, würde für sie selber fast nichts zurück bleiben, wenn sie ihr nichts geben würden... Ihr Vater erzählte an rasierten Morgen seines verstaubten Bartes meistens davon erzählt, dass es eine Sünde war, vor jemandem etwas zu essen und ihn damit zu Appetit erwecken. Es gab ja die Hölle. In der Hölle die Teerkessel und die Höllenwärter. 

- Du Schwester! 

- Was ist? 

- Sind diese Schokoladen die gleichen wie die, die unsere Tante uns mitbrachte? 

- Nein .

- Die, die unsere Tante mitbringt sind süsser und leckerer, nicht wahr? 

- Natürlich. 

Die Tochter des Joghurtverkäufers: 

- Alle Schokoladen sind gleich!

Beide auf einmal: 
- Woher weisst du das denn? 

- Woher wisst ihr es? 

- Unsere Tante hat es uns mitgebracht, aus Sariyer. 

- Mir auch. 

- Hast du denn eine Tante? 

- Habt ihr denn eine?

- Ja.

- Ich auch.

- Jedesmal wenn sie zu uns kommt bringt sie es uns mit!

- Mir auch.

- Unsere bringt uns auch Keten Helwa und auch Koz Helwa.

- Mir auch.

- Woher bringt sie es dir?

- Woher bringt sie eure Tante?

- Sag doch du woher es deine bringt!

- Wieso sollte ich denn?

- Wieso sollten wir es dann? Unser Vater ist Lastwagen Führer, er durchreisst die Welt! 

- Und mein Vater ist Joghurtverkäufer. Er verkauft sogar denen, die in den Hochhäusern wohnen Joghurt!
Der Knabe wandte sich knallrot zu seiner Schwster:

- Du Schwester!

- Was ist!

- Wenn ihre Tante ihr Schokolade mitbringt soll sie doch gehen und essen! 

Die Tochet des Joghurtverkäufers sagte:
- Ich werde nicht gehen.

Die rote Haarschleife der Schwester verblasste:
- Wieso?

- Wieso geht ihr nicht?

- Was schaust du zu uns?

- Was schaut ihr denn zu mir?

- Wir können bis zum abend warten!

- Ich auch.

- Gehört dieser Platz dir?

- Gehört er euch?

Die Schwester sagte zum Bruder:
- Sei still, wir sind nicht so wie sie!

- Eigentlich bin ich nicht wie ihr.

- Wie?

- Euch doch egal!

Der Bruder sagte:
- Sag es doch wenn du Mut hast!

- Hab ich auch. Hab ich auch.

- Dann sag es doch!

- Meint ihr ich habe Angst vor euch?

- Meinst du wir haben Angst vor dir?

Auf dem schlechten Plaster der Strasse ging ein blauer De Soto blitzblank hindurch.
- Du Schwester!

- Was ist?

- Unser Vater kann sogar diesen blauen Wagen führen, 
nicht wahr?

- Natürlich kann er das!

Die Tochter des Joghurtverkäufers hörte das, doch sie verstand es nicht. Sie hatte gar keine Tante, doch sie wollte, dass sie eine hätte. Wenn sie eine hätte, und wenn die ihr aus Sariyer Schokolade und Koz Helwa, aus Emirgan Keten Helwa mitbringen würde. Oder, wäre ihr Vater doch Chauffeur...Dann noch, Schokolade, war es wohl sehr lecker?

- Du Schwester!

- Was ist?

- Wenn wir es wollten, könnten wir Schokolade...

- Sei still!

- Kaufen, nicht wahr?

- Ich habe dir doch gesagt, dass du still sein sollst!

- Aber wir können es nicht kaufen, ich weiss. In der 

- Hölle gibt es Teerkessel.

- Du Bursche, habe ich dir nicht gesagt, dass du still sein sollst!

Die Tochter des Joghurtverkäufers lachte. Die Haarschleife der Schwester wurde wieder blass!
- Wieso hast du gelacht?

- Was geht dich das an?

- Sag es doch wen du Mut dazu hast! Sagte der Bruder

- Meinst du ich habe Angst vor dir? Wo hast du denn die 

- Hölle gesehen?

- Wo hast du sie gesehen?

- Hab ich doch gar nicht.

- Wir haben sie auch nicht gesehen.

- Woher weisst du dann die Teerkessel?

Die Schwester schaute zu ihrem Bruder und der Bruder schaute zu seine Schwester. Die Schwester:
- Mein Vater- sagte sie-kann er es nicht wissen?

- Kann er doch. Aber ihr wisst es eben nicht!

- Du Schwester!

- Was ist?

- Lass uns der doch zeigen, dass wir, wenn wir es wollten Schokolade kaufen könnten!

Die Tochter des Joghurtverkäufers forderte sie mit ihren Blechohrringen heraus:
- Zeigt es doch!

- Schwester, sollen wir?

- Ach was, Schwester sollen wir? Als ob sie Geld hätten...

- Haben wir nicht?

- Habt ihr?

- Schauuu!

Sie verzog abweisend den Mund.
- Mein Vater gibt mir noch mehr...
Die Schwester zeigte auch das ihre. Die Tochter des Joghurtverkäufers verzog wieder abweisend den Mund.
- Er gibt mir noch mehr als euch beide und ich weiss nicht wofür ich es ausgeben soll!

Die Schwester war dem Weinen nahe:
- Dann kauf doch eine Schokolade für einen fünfziger!

- Würde ich doch, wenn ich es wollte. Aber ich will nicht.

- Wir kaufen es aber. Sagte der Knabe.

- Klar, dann kauft doch!

- Können wir es nicht?

- So kauft es doch!

Der Knabe sagte:
- Du blöde Gans!
' Die blöde Gans ' wurde knallrot.

- Eine Blöde Gans sieht so aus wie ihr!

In das Gesicht der Schwester mischte sich das Rot ihrer Haarschleife:
- Lass mich aus dem Spiel!

- Wieso hat dann dein Bruder mich reingemischt?

- Komm lass es, unsere Erziehung erlaubt es uns nicht, uns mit solchen wie du zu zanken!

- Meine Erziehung erlaubt es mir eigentlich nicht.

- Sei still, sei still...

- Wir haben doch Geld, nicht wahr Schwester. Wieso sollten wir denn still sein?

Sie gingen in den Laden hinein. Die Tochter des Joghurtverkäufers blieb zurück. Ihr schmutziges Haar ganz ausgefasert. Sie hatte niemanden anders als als ihre vier Schwestern und ihren Vater, der ein Trunkbold war. Ihre Schestern mischten sich in die Morgen, in denen die Tabakfabrik laut ertönte. Sie kamen mit leeren Händen zurück. Als ihre Mutter noch am Leben war, kam sie mit Päckchen, in denen Trauben, Feigen, Weisskäse und Oliven waren zurück. Sie kochte, wusch Kleider bis zur Mitternacht, setzte ihre Mädchen vor sich, kämmte ihnen das Haar und band ihnen Haarschleifen die aus Fetzen stammten ins Haar. Als ihre Mutter noch am Leben war, arbeiteten ihre Schwestern nicht in der Fabrik. Sie spielten Himmel und Hölle, Ball und hüpften Springseil. Sogar ihr Vater trank damals nicht so viel. 
Sie kamen mit einer fünfziger Schokolade mit rotem Papier aus dem Laden. Zuerst wurde der Rote Umschlag entfernt, danach der silberne, danach wurde die Schokolade geteilt und zu essen begonnen.

War es wohl sehr lecker? Doch sie sagte trotzdem:
- Das würde ich nicht einmal essen, wenn sie es mir gratis geben würden.

Haben sie es wohl gehört? Wenn sie gehört haben, was haben sie gesagt? Sie schloss die Augen, damit sie nicht verstanden, dass sie sah wie sie es assen und Lust darauf hatte. In ihren geschlossenen Augen, die Schokolade die von ihrem Papier entfernt und gegessen wird. Sie öffnete die Augen, das Schaufenster. Im Schaufenster Schokoladen mit rot, grün, viollett, gelb und rosaroten Papieren. Sie schloss ihre Augen, ein Bruder, der zum Coiffeur gebracht, gemeinsam Schokolade gekauft und geteilt wurde, ein Vater, der sogar den blauen Wagen lenken kann. Schokolade aus Sariyer. Eine Tante, die aus Emirgan Keten- und Kozhelwa bringt. Sie öffnete die Augen, die anderen gingen nebeneinander. Sie schloss ihre Augen, öffnete sie, schloss sie. Als sie sie zum letzten mal öffnete, sah sie, dass sie an der Ecke der gegenüberliegenden Strasse waren. Sie schloss die Augen, öffnete sie. Sie waren nicht mehr da. Die Strasse hatte beide geschluckt. Sie wollte gerade gehen, der Strassenpflaster, der Rand des Strassenpflasters, am Rande des Strassenpflasters ein rot funkelndes, zerrissenes Schokoladen Papier, es war ein munziges Ball, das zerknütternde, silberne Papier. Sie schaute sich argwöhnisch um. Sie hatte Angst, dass sie gesehen und als 'Zigeunerin' benannt werden konnte. 

Ein Kringel Verkäufer ging durch. 

Zu den Häusern, zu den Fenstern der Häuser schaute sie. Tüll Vorhänge an den Fenstern.

Sie beugte sich und nahm den Ball aus silbernem Papier. 
Ein neuer Kringel Verkäufer. 

Als ob es ein Ball wäre warf sie den zerknütterten Ball in die Luft und fing es, fing es und warf es in die Luft. Während sie es hochwarf eine Strasse, noch eine Strasse, danach wieder eine andere Strasse. Die Strasse war teilweise schmutzig. Diese Strasse riechte nach Piesse. Sie öffnete den Ball aus Papier, leckte und leckte die Schokoladenreste.

Orhan KEMAL

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